Künstler Residenz

João Gonçalo Lopes

1. – 14. Oktober 2024

João Gonçalo Lopes ist ein Architekt, der interdisziplinär zwischen Kunst, Design und Bildung arbeitet. Nachdem er in renommierten Architekturbüros in verschiedenen Teilen der Welt gearbeitet hat, arbeitet er derzeit mit einem praktischen Ansatz an Projekten, die vom Städtebau über Kunstinstallationen bis hin zum Möbeldesign reichen. Als Gründungsmitglied von Colectivo Til entwickelt er Forschungsprozesse und Interventionen mit verschiedenen Gemeinschaften, welche die Begriffe Vermittlung, Macht und Beteiligung im öffentlichen Raum hinterfragen. Mit einer kontextbezogenen Haltung ist seine Arbeit in der Zusammenarbeit verwurzelt und konzentriert sich auf die Ökologie von Materialien als Mittel zur Erreichung bewusster und vernetzter Realitäten. Seine Praxis untersucht Räume und Objekte als Mediatoren vielschichtiger Beziehungen, seien sie sozial, politisch, emotional, künstlerisch oder materiell.
Gonçalo arbeitete vom 1. – 14. Oktober vor Ort.

Ankommen am Traunsee – in den ersten Tagen des Herbstes verändern der See und die Berge ihr Gesicht. Die Stadt, die nach dem Weggang der Sommergäste nun ruhig und nachdenklich wirkt, scheint in eine andere Stimmung einzutauchen. Die privaten Boote, die einst das Wasser mit Bildern der Freizeit füllten, stehen jetzt an Land, von Metallkonstruktionen getragen, mit wasserdichten Planen und straffen Gummibändern bedeckt und bereit für den Winterschlaf. Innerhalb einer Woche wechseln die Blätter ihre Farben von Grün zu Gelb, Braun und Rot. Der See erwacht jeden Morgen mit neuen Bewegungen und Farbtönen. Dichte Nebelschwaden hängen über dem Wasser, filtern das Sonnenlicht und lassen die Berge im Hintergrund langsam verschwinden und wieder auftauchen.

Die Herbstzeit und ihre wandelnden Elemente scheinen neue Beziehungen zum Wasser vorzuschlagen, vielleicht eine andere Sehnsucht zu wecken. Ich denke an die Fischer an den Meeresküsten, die ihre Momente wählen, wenn alle den Strand verlassen haben: die tiefe Nacht, stürmische Gewässer, kalter Wind. Ich denke an ihre langen Stunden der Einsamkeit, das Warten auf die Bewegung der Angelrute, während sie der immensen Kraft der Gezeiten gegenüberstehen. Und ich frage mich, wie die Erfahrung am Traunsee für diejenigen sein wird, die länger bleiben – die in den unfreundlichsten Momenten verweilen, wenn alle anderen gegangen sind. Was wird sich offenbaren, wenn wir gerade dann in der Nähe bleiben?

In meinem ursprünglichen Ansatz wollte ich Zeit damit verbringen, die vor Ort bereits bestehenden Möglichkeiten zu erkunden, um Vorstellungen von Landschaft zu hinterfragen, die über die domestizierten und privatisierten Stege des Traunsees hinausgehen. Die Gelegenheit ergab sich durch die Erkenntnis, dass die beiden von Plateau Bleu errichteten schwimmenden Plattformen die Möglichkeit boten, miteinander verbunden zu werden und eine stabile, nicht privatisierte Fläche über dem Wasser zu bilden. Ein schwimmender Boden, der nicht als Gebäude oder Objekt gedacht war, sondern als Ausgangsbedingung, die durch zukünftige Ereignisse weiterentwickelt werden könnte.

Während des Aufenthalts, gemeinsam mit Sophie Netzer und Kerstin Reyer, durch stürmische und sonnige Tage hindurch, stellten wir fest: Wenn wir jeden Tag am See entlanggehen, erzählt uns der See von seiner Stimmung, die niemals dieselbe ist. Wenn wir jeden Tag ins Wasser eintauchen, beeinflussen uns Berührung und Temperatur des Sees. Der Zustand der Landschaft wird zu unserem eigenen.

Die schwimmenden Plattformen sollten auch eine Erfahrung bieten, die in der Zeit Bestand hat. Vielleicht suchen wir eine Bedingung des Komforts, eine Art Hülle, die es dem individuellen Körper ermöglicht, sicher genug zu sein, um sich mit anderen Körpern zu verbinden: dem Körper des Wassers, dem Körper des Landes, das das Wasser enthält, dem Körper der Luft, der sich mit den Temperaturen wandelt, und dem kollektiven Körper der Menschen, die sich um diesen Raum versammeln. Es könnte darum gehen, Zeit auszuhalten, zu warten, manchmal zu kämpfen, aber sanft langsamer zu werden, näher an den Boden zu kommen wie in japanischen Tee-Häusern, sich beim Eintritt zu verbeugen, die Körper den Formen und Kanten anzupassen wie weiche Ärmel.

Vielleicht geht es auch darum, in der Frage zu verweilen und nicht in der Antwort. Wenn wir länger bleiben, ohne den Drang, etwas zu schaffen, mit welchen anderen Dimensionen könnten wir uns noch verbinden?

IG: www.instagram.com/joaogoncalolopes

www.joaogoncalolopes.pt

Die entstandene Installation würde im Rahmen der von Angelika Wienerroither’s Lehrveranstaltung der Kunstuni Linz genutzt:
Labor für fluide Erfahrungen: Die Welt vom Wasser aus betrachtet
.

Verlässt eine Person das stabile Land, um mit dem Schiff aufzubrechen, ändert sich die Perspektive. Die Wellen schütteln den Körper, den Geist. Es ist ein Verlassen des Bekannten zugunsten eines zukünftigen, ungewissen, noch nicht fixierten Zustands und Ortes. Das Wasser transformiert, das Denken nimmt eine andere Richtung, einen neuen Aggregatzustand an. Die Dinge können noch ganz anders werden. Und vielleicht zeigt sich dann die Möglichkeit einer Insel, einer Utopie, einer besseren Welt.

Wie können Studierenden sich den Perspektivenwechsel von der Stabilität in die Fluidität zunutze machen? 

Konzept:
João Gonçalo Lopes

Bau:
João Gonçalo Lopes, Kerstin Reyer, Sophie Netzer

Produktion:
Kerstin Reyer, Sophie Netzer, Simone Barlian

Gesamtprojekt:
Plateau Blo

Organisation:
Salzkammergut 2024, Europäische Kulturhauptstadt
Kunstuniversität Linz

Dank an:
Markus Hiesleitner
Guilherme Rodrigues
Pedro Augusto
Li Wang

Wir bedanken uns herzlich bei unseren Kooperationspartner*innen!

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